6. Juli 2023 / Aus aller Welt

Wo und wie Menschen küssen - und wo es unvorstellbar ist

Küssen ist ein Zeichen der Liebe, Zuneigung, Romantik - zumindest in der westlichen Welt. In einigen Weltregionen wird dagegen gar nicht geküsst, stellten Forscher fest. Wo und warum das so ist.

Wie die Menschen küssen, hat auch etwas mit dem Land zu tun, in dem sie leben. Am 6. Juli ist der internationale Tag des Kusses.

An einer Straßenkreuzung im Berliner Stadtteil Kreuzberg knutschen zwei Menschen innig und verpassen dabei ihre Ampelphase. Die anderen Fußgängerinnen und Fußgänger beachten sie gar nicht - Menschen küssen sich doch seit eh und je. In anderen Weltregionen ist das aber nicht unbedingt der Fall. Zum internationalen Tag des Kusses (6. Juli) ein Blick auf die (Nicht)-Verbreitung leidenschaftlicher Küsse.

Mittelamerika: Die Ethnologin und Genderforscherin Catherine Whittaker von der Goethe-Universität in Frankfurt beobachtete in Mexiko einst das Kussverhalten der Menschen. Damals traf sie nach eigenen Angaben auf Schamanen, die im Küssen etwas Spirituelles anstatt nur Erotisches gesehen hätten. «Dort hat ein Schamane darüber gesprochen, dass das Gesicht mit kosmischen Linien in Verbindung steht. Und indem man mit dem Gesicht arbeitet, kann man diese Linien anzapfen und Energien freisetzen.»

Andere wissenschaftliche Beobachtungen etwa der indigenen Bevölkerung Mittelamerikas deuten darauf hin, dass die Menschen dort gar nicht romantisch miteinander knutschen.

Nordafrika: Betrachtungen der Ureinwohner des Sudans zeigen, dass es für sie unvorstellbar sei, sich zu küssen. Der Mund sei nämlich das Tor zur Seele - zu groß die Angst, der Tod könne sich auf diesem Weg Zutritt verschaffen oder ihre Seele gestohlen werden.

Whittaker verweist auch auf die Beduinen, die unter anderem in Teilen der Sahara leben. Dort sei eine direkte Frage von Forschern verneint worden, ob die Nomaden Romantik praktizieren. Whittaker betont aber: «Tatsächlich gibt es auch da zum Beispiel Liebeslyrik. Das wird aber einfach sehr streng geheim gehalten.» In einigen Weltregionen sei es eben ein Tabu über Romantik - und damit auch das Knutschen - zu sprechen. Dazu komme, dass sich Menschen in einigen Teilen der Welt ihre Zuneigung zwar nicht durch das Mund-auf-Mund-Küssen zeigen, aber auf eine vergleichbar intime Art.

Ozeanien: Liebesforscherinnen und -forscher am Kinsey Institut der Indiana University untersuchten im Jahr 2015 insgesamt 168 Kulturen weltweit auf die Verbreitung des romantisch-sexuellen Küssens. Sie schauten sich an, wo es das gibt und wo es eher kein Thema ist. In der Studie definieren sie einen romantischen Kuss als innige Lippenberührung zweier Menschen. Die Autoren zählen jedoch auch den ozeanischen Kuss mit. Demnach wird die Kussart mit dem Riechen assoziiert, weil Menschen sich dabei die Gesichter aneinanderreiben. In Teilen Ozeaniens kommt dieser Kuss unter Liebespaaren vor.

Nordamerika: In den USA wird natürlich geknutscht - egal ob in Hollywood-Filmen, auf Straßen oder privat. In einem weiteren Land des Kontinents ist das mitunter anders: Die Inuit etwa aus Nordkanada praktizieren den bekannten Nasenkuss. Auch die Ureinwohner Neuseelands küssen sich ähnlich - allerdings nicht leidenschaftlich. Dort ist der Nasenkuss ein Willkommensritual, mit dem sich in der Vergangenheit auch hochrangige Diplomaten begrüßten.

Südamerika: In Kolumbien küssen sich Paare dem Goethe-Institut zufolge zwar romantisch, jedoch nicht unbedingt in der Öffentlichkeit. In einem Bericht des Instituts wird eine Kolumbianerin mit den Worten zitiert: «Die Leute sind hier einfach unglaubliche Klatschtanten und Moralisten.» Ein leidenschaftlicher Kuss auf der Straße bleibe deshalb selten unkommentiert.

Die Autorinnen und Autoren der US-Studie aus dem Jahr 2015 kamen zu dem Ergebnis, dass die wenigsten Menschen weltweit romantisch-sexuell küssen - von den 168 untersuchten Kulturen seien es 46 Prozent.

Die Ethnologin Whittaker hinterfragt die Studie in einem Aspekt. Zwar stimme sie zu, dass romantisches Küssen nicht universell sei. «Aber dass man genau beziffern kann, wo es passiert, finde ich problematisch.» Laut der Forscherin ist es in einer globalisierten Welt auch generell schwierig, das Küssen gar nicht zu kennen - «also niemals einen Hollywood-Film oder Ähnliches gesehen zu haben.»


Bildnachweis: © Hannes P. Albert/dpa
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